Unternehmensinsolvenz
Insolvenzgründe, Haftungsrisiken und Handlungsoptionen bei GmbH, GmbH & Co. KG bzw. AG
Insolvenzen gehören zum Wirtschaftsleben dazu. Die meisten Unternehmer betrachten die Insolvenz ihres Unternehmens als Manko, verschließen nicht selten die Augen vor einer sich ankündigenden Krise.
Dabei ist eine Insolvenz keinesfalls zwingend das Ende des Unternehmens. Auch bedeutet sie nicht den Inbegriff des Scheiterns. Vielmehr kann sie eine echte Chance sein, das Unternehmen neu aufzustellen und bestehende Probleme zu lösen. Ein Abwarten und Hoffen auf Besserung ist fast immer die schlechtere Alternative.
Es ist wichtig, den Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung des eigenen Unternehmens nicht zu verschließen. Je frühzeitiger eine Krise erkannt wird, desto höher und vielfältiger sind die Ansatzpunkte für eine nachhaltige Sanierung.
Als Geschäftsführer oder Vorstand einer GmbH, GmbH & Co. KG oder AG ist die Kenntnis über die gesetzlichen Insolvenzgründe und die daraus folgenden Handlungs- und Haftungsfolgen essenziell. Einige wesentliche Grundlagen sind nachfolgend dargestellt.
Wann ist mein Unternehmen insolvenzreif?
Ein Unternehmen ist dann insolvenzreif – und damit auch verpflichtet einen Insolvenzantrag zu stellen – wenn es entweder zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Daneben ist in der Insolvenzordnung als Antragsgrund auch die drohende Zahlungsunfähigkeit geregelt. Diese begründet jedoch keine Pflicht zum Insolvenzantrag.
Zahlungsunfähigkeit
Die Zahlungsunfähigkeit ist in § 17 InsO definiert. Sie liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Rechtsprechung hat die gesetzliche Regelung in verschiedenen Urteilen konkreter ausgestaltet. Nach dem Bundesgerichtshof liegt eine Zahlungsunfähigkeit vor, wenn eine Deckungslücke von mehr als 10% besteht. Hierzu sind die auf den Beurteilungsstichtag fälligen und nicht bestrittenen Verbindlichkeiten und die vorhandenen liquiden Mittel (Kasse, Bank) sowie die in einem Zeitraum von drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten und die zu erwartenden Liquiditätszuflüsse (Forderungseinzug etc.) gegenüberzustellen.
Zeigt diese Gegenüberstellung, dass das Unternehmen innerhalb von drei Wochen nicht in der Lage ist, mindestens 90% seiner fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen, besteht nach der Rechtsprechung eine Zahlungsunfähigkeit.
Die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit erfordert regelmäßig eine sorgfältige Prüfung und Bewertung, da die Rechtsfolgen bei einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit erheblich sind. Sowohl für das Unternehmen als auch für die Geschäftsführung.
Überschuldung
Eine Überschuldung ist insolvenzrechtlich dann gegeben, wenn das Vermögen des Unternehmens die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Geregelt ist dies in § 19 InsO.
Die Überschuldung ist durch einen Überschuldungsstatus zu ermitteln, welcher nicht zwingend mit der aufgestellten Bilanz identisch ist. Beispielsweise ist ein in der Bilanz ausgewiesener nichtgedeckter Fehlbetrag ein Indiz für eine Überschuldung, nicht aber der abschließende Beleg. Zudem kommt es entscheidend darauf an, ob die Vermögenswerte unter Fortführungs- oder Liquidationsgesichtspunkten zu bewerten sind. Handelsrechtlich gelten hier andere Kriterien als nach der insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose.
Im Umkehrschluss heißt dies, wenn eine positive Fortbestehensprognose gegeben ist, dann ist eine Überschuldung ausgeschlossen. Oder: Um die Überschuldung und das Übersteigen der Vermögenswerte über die Verbindlichkeiten und die Frage, ob nach Fortführungs- oder Liquidationswerten zu bilanzieren ist, beurteilen zu können, bedarf es einer Fortbestehensprognose.
Der Prognosezeitraum ist mindestens auf zwölf Monate ab dem Beurteilungsstichtag anzusetzen und laufend zu aktualisieren. Es ist also eine rollierende Planung aufzustellen. Im Kern geht es darum, eine den aktuellen Entwicklungen angepasste integrierte Finanzplanung für das Unternehmen aufzustellen.
Zeigt sich aus dieser Planung, dass im Zeitraum von zwölf Monaten eine Liquiditätsunterdeckung eintritt, führt dies zur Annahme einer Überschuldung. Die Prüfung der Überschuldung ist folglich eine laufende Zahlungsfähigkeitsprüfung. Damit ist eine Überschuldung immer dann gegeben, wenn im Prognosezeitraum eine Zahlungsunfähigkeit eintritt.
Da auch die Überschuldung eine Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung begründet, ist von der Geschäftsführung – schon zur Vermeidung einer eigenen Haftung – zwingend eine laufende integrierte Finanzplanung zu führen. Dies ist als Mindeststandart gemeint und schließt weitere Pflichten zur Überwachung der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens (z. B. in Form eines Risikofrüherkennungssystems) nicht aus. Einzelheiten erläutere ich gerne in einem persönlichen Beratungsgespräch. Die Pflichten sind hier vielfältig und sollten nicht unterschätzt werden.
Drohende Zahlungsunfähigkeit
Eine drohende Zahlungsunfähigkeit ist nach § 18 InsO dann gegeben, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine fälligen Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu bedienen.
Anders als die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung, welche eine Pflicht zur Insolvenzantragstellung begründen, besteht bei drohender Zahlungsunfähigkeit ein Recht zur Antragstellung. Dies ermöglicht es einem Unternehmen sehr frühzeitig die Instrumente der Insolvenzordnung für eine Sanierung in Anspruch zu nehmen. Die Handlungsspielräume sind zu diesem Zeitpunkt deutlich größer.
Für die Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit hat der Gesetzgeber einen Prognosezeitraum von 24 Monaten vorgesehen. Dieser ist immer im Zusammenspiel mit dem zwölfmonatigen Prognosezeitraum für die Überschuldung zu sehen. Relevant für die drohende Zahlungsunfähigkeit ist damit der Zeitraum zwischen dem 12. und dem 24. Monat der Finanzplanung, immer bezogen auf den jeweiligen Stichtag. Zeigt sich innerhalb von 12 Monaten eine Unterdeckung, ist Überschuldung anzunehmen. Entsteht die Unterdeckung nach dem 12. Monat und bis zum 24. Monat, kann von drohender Zahlungsunfähigkeit gesprochen werden.
Einem Unternehmen und dessen Geschäftsführung ist daher immer anzuraten, die Finanzplanung nicht nur auf 12 Monate auszurichten, sondern vielmehr einen Zeitraum von 24 Monaten abzudecken. Dies sichert den Überblick über die Finanzlage des Unternehmens, schafft frühzeitig Klarheit und eröffnet Handlungsspielräume. Zudem ist die Planung über 24 Monate Grundlage für die Verpflichtung der Geschäftsführung zur Implementierung eines Risikofrüherkennungssystems.
Was sind die Folgen einer bestehenden Insolvenzreife meines Unternehmens?
Liegt Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vor, ist der Geschäftsführer einer GmbH oder GmbH & Co. KG bzw. der Vorstand einer AG nach § 15a InsO verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Bei Personengesellschaften mit persönlich haftenden Gesellschaftern (GbR, oHG) oder bei Selbständigen greift die Pflicht aus § 15a InsO nicht. Hier sind gleichwohl strafrechtliche Haftungen, insbesondere der Eingehungsbetrug zu beachten, sollten Verbindlichkeiten im Zeitpunkt einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit begründet werden und absehbar sein, dass diese nicht mehr erfüllt werden können.
Der Insolvenzantrag ist ohne schuldhaftes Zögern zu stellen. Die häufig aufzufindende Aussage, es bestünde eine Frist von drei Wochen ist in dieser Form falsch. Das Gesetz sieht lediglich vor, dass bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzantrag innerhalb von drei Wochen gestellt werden muss, im Falle der Überschuldung innerhalb von sechs Wochen. Das Ausnutzen dieser Fristen ist aber nur dann zulässig, wenn noch nachvollziehbare und realistische Versuche unternommen werden, um eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu beseitigen. Für die Erfolgsaussichten dieser Maßnahmen ist der Geschäftsführer beweispflichtig.
Im Grundsatz ist daher immer sofort nach Eintritt eines Insolvenzgrundes ein Insolvenzantrag zu stellen.
Kommt die Geschäftsführung der Pflicht zur Insolvenzantragstellung nicht nach, können erhebliche zivilrechtliche und strafrechtliche Haftungen bestehen. Nicht selten führt dies zu einer Anschlussinsolvenz der Geschäftsführer.
Wie kann eine Insolvenz zu einer Sanierung meines Unternehmens beitragen?
In der öffentlichen Wahrnehmung bedeutet die Insolvenz eines Unternehmens meistens dessen Ende. Es geht nur noch um Abwicklung.
Dies ist in vielen Fällen richtig, jedoch keinesfalls die Grundintention der Insolvenzordnung. Hintergrund dafür, dass viele Insolvenzen reine Abwicklungsfälle sind ist der Umstand, dass eine große Zahl von Insolvenzanträgen deutlich verspätet gestellt wurden. Das Unternehmen wurde trotz bestehender Zahlungsschwierigkeiten oder Überschuldung fortgeführt, die Geschäftsführung hat Löcher gestopft, ohne dass dies nachhaltig zu einem Schuldenabbau geführt hat. Auf diese Weise wurde die Substanz des Unternehmens zunehmend geschwächt. Ein Insolvenzverwalter findet dann kaum noch verwertbare Vermögensgegenstände vor, welche Grundlage für eine Betriebsfortführung sein könnten. Folge ist dann die Abwicklung des Unternehmens. In der Regel geht ein solches Verfahren mit einer Haftung der Geschäftsführung einher.
Erkennt die Geschäftsführung hingegen frühzeitig Krisenanzeichen und kommt ihrer Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages rechtzeitig nach, vermeidet dies nicht nur die eigene Haftung, sondern schafft auch für den (vorläufigen) Insolvenzverwalter Handlungsspielräume.
So kann nach einem Insolvenzantrag das Unternehmen, z. B. während eines sog. vorläufigen Insolvenzverfahrens, fortgeführt werden. Die Gehälter sind in dieser Zeit für bis zu drei Monate durch das Insolvenzgeld gedeckt. Damit fällt ein großer Kostenblock unmittelbar weg. Hierdurch werden liquide Mittel aus laufenden Aufträgen frei und können für die Verfahrensabwicklung eingesetzt werden. Zudem müssen Alt-Verbindlichkeiten aus der Zeit vor dem Insolvenzantrag nicht mehr bedient werden. Was für die Gläubiger ggf. schwierig ist, sichert dem Unternehmen weitere Liquidität. Die Geschäftspartner werden in aller Regel trotz dieser für sie nachteiligen Rechtsfolge für das Unternehmen Leistungen erbringen oder Waren liefern, da die hierfür anfallenden Kosten im vorläufigen Verfahren vorrangig durch den vorläufigen Verwalter zu begleichen sind. Ggf. kann auch auf Vorkasse umgestellt werden.
Während des vorläufigen Insolvenzverfahrens prüft der vorläufige Insolvenzverwalter, ob das Unternehmen verkauft oder in seinem Bestand erhalten werden kann. Hierfür bestehen zwei Optionen:
- die übertragende Sanierung
- der Insolvenzplan
Übertragende Sanierung
Die übertragende Sanierung bezeichnet den Verkauf aller Vermögenswerte, also des Geschäftsbetriebes im Ganzen. Es handelt sich folglich um einen Asset Deal. Der Käufer ist eine neue Gesellschaft. Diese erwirbt die Aktiva des schuldnerischen Unternehmens, ohne durch Verbindlichkeiten belastet zu sein.
Auf diese Weise kann der gesunde Kern des Unternehmens erhalten werden und der Geschäftsbetrieb unter Erhalt der Arbeitsplätze fortgeführt werden.
Ein solcher Deal läuft nach eigenen Gesetzmäßigkeiten ab und ist nicht mit dem Unternehmensverkauf außerhalb einer Insolvenz vergleichbar. Hierzu finden sie weitere Informationen unter Unternehmensverkauf.
Insolvenzplan
Der Insolvenzplan zielt – anders als die übertragende Sanierung – auf den Erhalt des Rechtsträgers. Dies bedeutet, dass die insolvente GmbH im Zuge der Insolvenz nicht abgewickelt wird, sondern nach Bestätigung des Insolvenzplans schuldenfrei fortbesteht. Hierfür ist in einem sog. Insolvenzplan den Gläubigern ein Weg aufzuzeigen, wie das Unternehmen für die Zukunft wieder fit gemacht werden kann. Kern ist dabei neben der Darstellung aller Sanierungsmaßnahmen eine Vergleichsrechnung. Diese stellt die Sanierung mittels Insolvenzplan alternativen Abläufen des Insolvenzverfahrens gegenüber, in der Regel der Betriebseinstellung und damit Abwicklung. Wichtig ist, dass die Vergleichsrechnung eine Besserstellung der Gläubiger aufweist als im Alternativszenario.
Ein Insolvenzplan bietet sich zum Beispiel dann an, wenn bestimmte Lizenzen oder Genehmigungen im Unternehmen bestehen und für die Betriebsfortführung zwingend benötigt werden, jedoch nicht übertragbar sind, oder aus anderen Gründen ein Erhalt des Rechtsträgers selbst von Bedeutung ist.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Sanierung ist immer, dass das Unternehmen im Kern noch gesund ist. Je frühzeitiger ein Insolvenzverfahren eingeleitet wird, desto höher sind daher auch die Chancen einer Unternehmenssanierung.
Was kann ich für Sie tun?
Sprechen Sie mich gerne an, wenn Sie über die Rechte und Pflichten als Organ eines Unternehmens Informationen wünschen oder Sie unsicher sind, ob Ihr Unternehmen möglicherweise bereits insolvenzreif ist.
Ich unterstütze Sie sowohl als Schuldner bei der Vorbereitung und Durchführung eines Insolvenzverfahrens, als auch bei der Abwehr von Haftungsansprüchen. Ist Ihr Geschäftspartner insolvent, stehe ich Ihnen ebenfalls gerne bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche gegenüber dem schuldnerischen Unternehmen bzw. dem Insolvenzverwalter zur Seite oder helfe Ihnen Inanspruchnahmen seitens des Insolvenzverwalters zu begegnen.